1 Begriffsbestimmung und Indikation
Wunde
Durch Gewalteinwirkung (Trauma) auf den Körper wird eine Kontinuitätsunterbrechung der Körpergewebe mit Deckschichtfunktion, also in erster Linie der Haut und der Schleimhaut, hervorgerufen. Diese Zusammenhangsunterbrechung wird Wunde genannt. Verheilt eine solche Wunde nach den Prinzipien der primären oder der sekundären Wundheilung, ohne dass eine adäquate Wundversorgung (Wundtoilette) durchgeführt wird, so ist es leicht möglich, dass beim Trauma eingedrungene Fremdkörper im Gewebe verbleiben. Auch nach operativen Eingriffen ist es möglich, dass Fremdmaterialien im Körpergewebe verbleiben.
Fremdkörper können bei allgemeinen Traumen z.B. Glassplitter, Straßenschmutz oder Holzsplitter sein. Insbesondere in der zahnärztlichen Chirurgie können Fremdkörper auch z.B. Wurzel- oder Knochenfragmente, Teile von Amalgamfüllungen oder anderen zahnärztlichen Materialien sowie Fragmente von Nahtmaterial (Nadelbruch) sein.
Fremdkörper können der Ausgangspunkt von akuten Entzündungen (z.B. Abszess) oder chronischen Entzündungen (z.B. Granulome, Fisteln) sein. Sie sollten daher wenn möglich entfernt werden. Lediglich tief liegende Fremdkörper, die keine akuten Umgebungsreaktionen verursachen, können unter Umständen belassen werden.
Bei der Entfernung tastbarer Fremdkörper erschöpft sich das operative Vorgehen in der Regel in der einfachen Inzision (Durchtrennung) der Haut oder Schleimhaut, eventuell einer geringgradigen Freipräparation des Fremdkörpers aus dem Gewebe, der Fremdkörperentnahme und dem abschließenden Nahtverschluss.
Bei tief liegenden Fremdkörpern muss in der Regel ein operativer Weg der Entfernung gewählt werden. Dies bedeutet, dass nach dem Hautschnitt weitere Gewebeschichten wie z.B. das Unterhautfett- und Unterhautbindegewebe, Muskeln, Faszien oder Knochen durchtrennt, blutgestillt und anschließend auch wieder schichtgerecht miteinander vernäht werden müssen. Da ein solcher Fremdkörper außerdem erst bei der Tieferpräparation ins Gewebe tastbar wird, muss möglicherweise in die eine oder andere Richtung Gewebe weiter präpariert werden. Der Aufwand wird hierdurch beträchtlich gesteigert. Daher muss bei tief liegenden Fremdkörpern immer sorgfältig abgewogen werden, ob der Erfolg der Operation in Relation zum Aufwand und der möglichen Schädigung des umgebenden Gewebes steht.
Wird im Rahmen der Verletzung zum Schutz vor einer Erkrankung an Wundstarrkrampf eine Impfung mit Tetanus-Impfstoff (Impfstoff gegen Wundstarrkrampf) durchgeführt, so ist diese entweder nach der GOÄ-Nr. 375 oder nach der GOÄ-Nr. 378 berechenbar. Die GOÄ-Nr. 375 entspricht dem Leistungsinhalt der intramuskulären Schutzimpfung (sogenannte passive Impfung), die GOÄ-Nr. 378 dem Leistungsinhalt der Simultanimpfung (gleichzeitig passive und aktive Impfung; zu Einzelheiten vgl. GOÄ-Nrn. 375 und 378).
Entfernung von Fremdkörpern im Zusammenhang mit der gesteuerten Gewebsregeneration Unter der gesteuerten Gewebsregeneration (englisch: guided tissue regeneration, abgekürzt GTR) versteht man ein neues Verfahren in der zahnärztlichen Chirurgie und der Kieferchirurgie, mit dessen Hilfe es möglich geworden ist, in bestimmtem Umfang gezielt Alveolarknochen wachsen zu lassen. Vor allem in den Bereichen der Parodontologie und der Implantologie wird die GTR zunehmend häufig angewendet.
Im Rahmen der GTR werden u.a. verschiedene Folien aus nicht resorbierbaren Materialien verwendet, die nach einer gewissen Tragedauer (während der das gesteuerte Knochenwachstum stattgefunden hat) wieder entfernt werden müssen. Die Entfernung dieser Folien ist gleichbedeutend mit der Entfernung eines Fremdkörpers. In der Regel handelt es sich bei einer derartigen Folienentfernung um die Entfernung eines tastbaren, unter der Oberfläche der Schleimhaut gelegenen Fremdkörpers, so dass diese Maßnahme nach der GOÄ-Nr.
2009 berechnet wird. In seltenen, komplizierten Fällen kann auch die Entfernung auf operativem Wege aus dem Knochen notwendig werden, was dann wiederum nach der GOÄ-Nr.
2010 (oder GOÄ-Nr.
2651) zu berechnen ist.
Im Zusammenhang mit Knochentransplantationen werden ebenfalls nicht resorbierbare Folien oder auch Stifte, Nägel, Schrauben oder Ähnliches zur Fixation des Transplantats eingesetzt. Auch deren Entfernung stellt die Entfernung eines Fremdkörpers je nach Umfang der Maßnahme nach der GOÄ-Nr.
2009 oder
2010 dar. Hierbei ist der Übergang zur GOÄ-Nr.
2694 (operative Entfernung von Osteosynthesematerial) jedoch fließend.
Kommt es im Rahmen der GTR zu einer Infektion, so kann auch die Entfernung von an sich resorbierbarem Material, welches ohne Wundinfektion nicht hätte entfernt werden müssen, in Ausnahmefällen indiziert sein.